Fallbeispiel: Umsetzung von Nachhaltigkeit in einer kohlenstoffintensiven Industrie (Teil 1)

TRANSFORMATION // 28.06.2023

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Dieses Fallbeispiel wird in zwei Teilen vorgestellt. Der erste Teil – dieser Beitrag – bezieht sich auf die Schritte, die zur Umsetzung des Prozesses erforderlich sind. Der zweite Teil – der folgende Beitrag – konzentriert sich vorallem auf die Transformationsfähigkeit und die Aspekte, die den langfristigen Wandel eines Unternehmens unterstützen.

In unserem vorherigen Beitrag haben wir beschrieben, wie Nachhaltigkeit unter „Laborbedingungen“ in ein Unternehmen integriert werden kann: Zunächst beginnen wir mit der allgemeinen Entwicklung einer Strategie und operationalisieren diese dann in den nächsten Schritten. In der Realität funktioniert das aber meist nicht so. Deshalb wollen wir in diesem Artikel zeigen, wie Nachhaltigkeit in den laufenden Betrieb eines Unternehmens unter normalen Arbeitsbedingungen implementiert werden kann.

Verständnis über die Ausgangssituation, Herausforderungen und Chancen generieren

Im letzten Artikel haben wir festgestellt, dass wir zuerst das Problem und die Ausgangssituation verstehen müssen, um dann zwischen dem Dringlichen, dem Möglichen und dem Vorhandenen den richtigen Startpunkt zu finden. In diesem Fallbeispiel geht es um einen großen Hersteller in der Stahlindustrie (halbfertige Produkte).

Eine der wichtigsten Ressourcen, die für die Herstellung von Stahlprodukten benötigt wird, ist Energie aus fossilen Brennstoffen. Wir wissen, dass die Verbrennung von fossilen Brennstoffen zu einer immensen Menge an Kohlenstoffemissionen führt und damit die Probleme des Klimawandels in hohem Maße anheizt. Dies ist also der Fokus, auf den wir uns konzentrieren sollten.

In unserem Fallbeispiel hat das Unternehmen bereits damit begonnen, Informationen über seine Kohlenstoffemissionen zu sammeln, allerdings nur stichprobenartig und hauptsächlich zur Erfüllung der Berichtspflichten. Dem Unternehmen fehlte daher ein tieferes Verständnis für den strategischen Wert, den diese Informationen für das Geschäft haben können. Das vorhandene Wissen dient dem Unternehmen in dieser Situation also nicht wirklich, sondern verschwendet vielmehr personelle, verfahrenstechnische und finanzielle Ressourcen.

Hinzu kommt, dass Kunden und andere Stakeholder entlang der Wertschöpfungskette zunehmend Transparenz bezüglich Treibhausgasemissionen verlangen, da sie diese Informationen natürlich auch für deren eigenen Berichtspflichten und Entscheidungsfindungen benötigen. Ergänzend zur Offenlegung von Informationen über den Kohlenstoffausstoß wurde von dem Unternehmen eine Strategie zum Umgang mit Klimagasen bzw. ein Plan zur Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes angefordert.

In diesem Fall haben wir dem Unternehmen geholfen, einen offensichtlichen Ansatzpunkt zu identifizieren: Informationen über die Ist-Situation zu sammeln (Analyse des CO2-Fußabdruckes), Transparenz zu schaffen und aussagekräftige Key Performance Indicators (KPIs) zu entwickeln, um die Entwicklung der Treibhausgasmissionen in Richtung zukünftiger Ziele zu lenken wie z.B. Klimaneutralität. In diesem Prozess haben wir der Organisation auch geholfen, CO2-Reduktionsziele zu setzen und zwar integriert in die weiteren strategischen Ziele des Unternehmens. Wenn Sie sich die Grafik ansehen, können Sie sehen, wo der Impuls uns hinführte.

 

Ziele und KPI’s definieren

Die Entscheidung, den CO2-Fußabdruck zu analysieren, ist schnell getroffen. Es ist jedoch ratsam, sich vor Beginn der Arbeit Gedanken über den gewünschten Nutzen zu machen. Benötigen Sie die CO2-Bilanzierung aus Marketinggründen, um ein Zertifikat zu erhalten, um Ihre Lieferkette zu informieren (und welchen Teil davon) oder um sich auf Klimaneutralität vorzubereiten? Und für welche Prozesse oder Produkte genau? Die Antworten auf diese Fragen können die Definition der KPI’s beeinflussen.

Das Unternehmen in unserem Beispiel befindet sich in einer sehr frühen Phase der Lieferkette. Zum allgemeinen Verständnis: In der Endphase der Lieferkette für Produkte macht der „Einkauf von Waren und Dienstleistungen“ (Scope 3) im Durchschnitt etwa 85 % der Treibhausgasemissionen des Produktlebenszyklus aus. Wenn Sie – wie unser Unternehmen – ein Frühphasenlieferant sind, haben Sie einen größeren Anteil des Ursprungs dieser 85 %.

Dies hat eine Reihe von Auswirkungen, zum Beispiel:

1. Um Informationen über Produktemissionen an die Lieferkette zu übermitteln, muss das Unternehmen die Informationen auf effiziente Weise darstellen und vermitteln können. Wie wir gesehen haben, fordern die Kunden diese Informationen bereits an, und die Nachfrage wird weiter steigen.

2. Das Unternehmen steht unter dem Druck, die Kohlenstoffauswirkungen seiner Produktion im Interesse der gesamten Lieferkette zu reduzieren. Daher sollten die Kohlenstoffindikatoren so gewählt werden, dass sie als Informationsgrundlage für strategische Entscheidungen dienen können.

Ausgehend von der Tatsache, dass Kunden bereits Informationen über den Kohlenstoffausstoß sowie einen Plan zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen angefordert haben, haben wir gemeinsam mit dem Unternehmen ein Ziel entwickelt: Klimaneutratlität bis 2045, im Einklang mit den sog. Science Based Targets. Damit ist sichergestellt, dass die Ziele und der Pfad zur Zielerreichung den wissenschaftlichen Erkenntissen entsprechen, eine Transformation in der Art und Geschwindigkeit umzusetzen, dass die Einhaltung der Ziele des Paris-Abkommens ermöglicht wird.

Es wurde entschieden, bereits zu Beginn den CO2-Fußabdruck auch inklusive Scope 3 auf der Grundlage des Greenhouse Gas Protocol’s zu erstellen. Die Entscheidung hierzu fiel leicht, da die Datenerfassung auf der Grundlage der bereits verfügbaren Prozessdaten gut machbar schien.

Vor diesem Hintergrund haben wir das Unternehmen in einem ersten Schritt dabei unterstützt, die Kohlenstoffemissionen entlang seiner Prozesse weiter zu bewerten und – was sehr wichtig ist – aussagekräftige KPIs zu definieren, darunter Product Carbon Footprints für bestimmte Prozessteile. Auf dieser Basis können sowohl Kohlenstoffreduktions- als auch Kreislaufpotenziale analysiert werden und als Grundlage für die Ziel- und Strategieentwicklung dienen.

 

Planung der Implementierung

Das Unternehmen verfügte bereits seit einigen Jahren über ein effizientes Datenerfassungs- und Energiemanagementsystem. Dadurch war es möglich, den Energieverbrauch für jeden Produktionsschritt sehr genau zu verfolgen. Auf dieser Grundlage konnte der CO2-Fußabdruck vergleichsweise einfach erstellt werden. Dies ermöglichte auch die Bestimmung des Product Carbon Footprints inklusive Scope 3, was ohne eine solche Datenbasis ein sehr langwieriger und arbeitsintensiver Prozess ist.

Auf dieser Basis konnte dann das Transformationskonzept mit spezifischen Maßnahmen rasch entwickelt werden. Mehr als 15 Maßnahmen wurden identifiziert, die dann weiter in lang-, mittel- und kurzfristige Maßnahmen unterteilt werden konnten. Einige dieser 15 Maßnahmen sind unmittelbar umsetzbar, so können schnelle Ergebnisse erzielt und Bedürfnisse der Kunden zügig erfüllt werden. Die mittel- und langfristigen Initiativen sind eher taktischer und strategischer Natur und ermöglichen so eine ganzheitliche Perspektive und Transformation inklusive Produktenwticklung, Geschäftsmodell und Stakeholder-Beziehungen.

Vor dem Projekt konnte das Unternehmen seine Ansatzpunkte für signifikante Kohlenstoffeinsparungen nicht identifizieren geschweige denn die Relevanz der Maßnahmen für den Unternehmenserfolg im Ganzen bewerten. Die zielorientierte CO2-Bilanzierung hat dies nun möglich gemacht. In der Hauptproduktkategorie des Unternehmens konnten sechs bis sieben Faktoren gefunden werden, die für etwa 80-90% der Kohlenstoffemissionen verantwortlich sind, die während der Produktion entstehen. Hierauf wurde der Fokus gerichtet.

 

Projekte umsetzen

Einige der mittel- bis langfristigen Projekte, die auf den Erkenntnissen der CO2-Bilanzierung beruhen, bestehen darin, Produkte und Geschäftsmodelle so umzugestalten, dass sie kohlenstoffärmer und zirkulärer werden.  Außerdem müssen Infrastrukturprojekte durchgeführt werden, wie z. B. die Einführung effizienter Trockenöfen, die auch mit nicht-fossilen Energiequellen betrieben werden können.

Ein weiteres Beispiel: Eine der 15 Maßnahmen besteht darin, werksübergreifende Prozesse zu überdenken. Bislang produzierte das Unternehmen nach dem Make-to-Order Prinzip. Immer dann, wenn der Kunde – in diesem Fall ein anderes überbetriebliches Werk – Rohprodukte bestellte, wurde die Produktion geplant und durchgeführt. Diese Produktion in kleinen Losen ist sehr individuell, was zu einer schlechten Maschinenauslastung, ineffizienten Transporten und unnötigem Abfall führt. Durch teilweise Umstellung auf das Make-to-Stock-Prinzip, sprich Produktion auf Lagerhaltung, mit Abrufung der Produkte  vom Kunden direkt von dort, können einige Vorteile realisiert werden: sinkende Komplexität durch  reduzierte Produktvielfalt, Einsparungen beim Transport und Reduktion von Ausschuss und Abfall. Alle diese Effekte haben auch einen signifikanten CO2-Reduktionseffekt.

Da die Produkte aus rostfreiem Stahl gefertigt sind, können sie im Freien gelagert werden, so dass keine zusätzlichen Gebäude für die Lagerung erforderlich sind. Dies ist natürlich eine individuelle Lösung, die nicht für jedes Unternehmen möglich ist.

 

Ergebnis des Projekts

Als Ergebnis kann das Unternehmen – und wird es in Zukunft noch mehr – Transparenz über seinen CO2-Fußabdruck herstellen; sowohl auf Unternehmens- als auch auf Produktebene. Auf dieser Grundlage können die Informationen an Kunden weitergeben werden. Darüber hinaus kann das Unternehmen eine Strategie zur Reduzierung seines gesamten CO2-Fußabdrucks entwickeln, die von unten nach oben in die Prozesse implementiert werden kann, während der Motor des Unternehmens kontinuierlich läuft. In den nächsten Schritten wird eine Gesamtstrategie für das Geschäftspotenzial entwickelt und in die Unternehmensziele integriert.

Was die Prozesse betrifft war das Unternehmen im Allgemeinen gut darauf vorbereitet, seine Nachhaltigkeitsreise zu beginnen und schnelle Ergebnisse anzustreben. Sie waren sich dessen nur nicht bewusst und fühlten sich von den Nachhaltigkeitsanforderungen und den verfügbaren Informationen überfordert. Endure hat dem Unternhemen geholfen, sich des Ziels sicher zu werden, einen Weg zu finden und einen guten Ausgangspunkt zu bestimmen. Diese Dinge berühren teilweise die Transformationskompetenz, die im nächsten Artikel behandelt wird.

Aus Erfahrung können wir sagen, dass die meisten Unternehmen in der Regel ein verborgenes Potenzial haben, um schnell große Verbesserungen im Bereich der Nachhaltigkeit zu erzielen. Wir bei Endure können Ihnen dabei helfen, dieses Potenzial zu erkennen und weiterzuentwickeln.

Sind Sie interessiert zu erfahren, welches verborgene Potenzial sich bei Ihnen verbirgt? Sprechen Sie uns gerne an!

 

Bildquelle: https://www.istockphoto.com/de/portfolio/daboost

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