Gesetzliche Anforderungen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit: wie Industrieunternehmen heute erfolgreich planen können

TRANSFORMATION // 28.02.2022

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Die nachhaltige Transformation wird zu einem erheblichen Teil auch durch gesetzliche Rahmenbedingungen gestaltet. Gefühlt verändern sich regulatorische Anforderungen an die Industrie ständig und es kommen neue hinzu. Eine langfristige und verlässliche Planung scheint für viele Unternehmen daher schwierig. In diesem Beitrag geben wir einen Überblick worauf Unternehmen jetzt achten sollten – denn es bieten sich auch viele unternehmerische Chancen durch die Regulierung.

 

Wachsende gesetzliche Anforderungen – wie sollen wir planen?

Neulich raunte ein Kunde im Gespräch: „Wir sind hier strategisch im Blindflug unterwegs! Die sich ständig verändernden rechtlichen Rahmenbedingungen in punkto Nachhaltigkeit, wie sollen wir da vernünftige Investitionsentscheidungen in unseren Anlagenpark treffen? Weiß ich denn, ob meine Bewertung von heute in drei oder fünf Jahren noch Bestand hat? Wir investieren aber für mindestens zehn Jahre!“ Ähnliche Aussagen sind auf den Gängen vieler Unternehmen zu hören. Positiv beschrieben nehmen viele Unternehmen aus der Industrie die Regulierung in Bezug auf Umwelt und Nachhaltigkeit als sehr dynamisch war. Bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen werden novelliert, neue kommen hinzu. So sind z.B. zum Jahreswechsel 2022 um die 10 neuen Regelungen im Bereich Umwelt und Energie in Deutschland in Kraft getreten. Hinzu kommt, dass die Regulierung durch Gesetze und Verordnungen von unterschiedlichen Ebenen vorgenommen wird (EU, Bund, Land, Kommune), teilweise mit unterschiedlichen regionalen Auswirkungen. Daher wird oft bemängelt, verlässliche Rahmenbedingungen, die eine langfristige Planbarkeit für Unternehmen ermöglichen, seien mehr und mehr in Gefahr.

 

Zielhorizont ist klar und bleibt auf Jahrzehnte stabil

Diese Perspektive ist verständlich, jedoch trifft sie den Kern der Sache nicht ganz. Denn so unzuverlässig im Sinne der Planbarkeit sind die regulatorischen Anforderungen eigentlich nicht. Schaut man nicht auf das „Wie“ der Regulierung, sondern auf das „Warum“, so kann man Konstanz und Planbarkeit nicht von der Hand weisen und das sogar für die kommenden Jahrzehnte. Spätestens mit der Verabschiedung des Paris-Abkommens im Dezember 2015 und dem Inkrafttreten der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs) im Januar 2016 sind die langfristigen Ziele nachhaltiger Regulierung klar – und diese werden auch breit von der Weltwirtschaft gestützt und unterstützt. In den vergangenen Jahren hat sich die Zielsetzung zumindest in Europa noch konkretisiert. So ist klar: Es wird eine Transformation der Industrie angestrebt, hin zu einem klimaneutralen Wirtschaften. Dies geht einher mit einem Umbau der Energieversorgung, des Mobilitäts- und Logistiksystems sowie teilweise auch mit Veränderungen von Produktionsverfahren und Wertschöpfungsketten. Die Transformation soll dabei so gestaltet werden, dass die europäische Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt und idealerweise sogar noch an Attraktivität gewinnt, z.B. durch Technologieführerschaft in besonders wichtigen Bereichen wie z.B. Energie (Stichwort Wasserstoff) und Mobilität. Gleichzeitig sollen Industriezweige auf dem Weg der Transformation nicht überfordert werden. Industriebereiche und Regionen, denen durch die Transformation die Grundlage der Geschäftsmodelle bzw. der derzeitigen lokalen Volkswirtschaft entzogen wird (z.B. Kohleindustrie), soll die Teilhabe an der Wirtschaft der Zukunft ermöglicht werden.

 

Sicherlich ist die Verknüpfung von den langfristigen Zielen zum „Wie“ – also konkreten regulatorischen Maßnahmen – teils kontrovers und auch Bestandteil eines gesellschaftlichen Diskurses. Unternehmen können davon ausgehen, dass dies auch so bleibt, zumindest was ganz spezifische Maßnahmen angeht, denn Interessen und Rahmenbedingungen ändern sich kontinuierlich. Daher wird es bei konkreten Maßnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit auch häufig kurzfristige Änderungen geben. Was bedeutet dies also für Unternehmen für die heutigen Planungen und Entscheidungen?

 

Die Ansatzpunkte für die Regulierung sind definiert

Eine Möglichkeit der Orientierung bietet das „Was“ der Regulierung, also des Regulierungsgegenstands, sozusagen die Zwischenebene zwischen den Zielen und konkreten Maßnahmen. Und hier ist sind sich die Gesetzgeber gemeinsam mit Industrieverbänden ziemlich einig. Der „Europäische Grüne Deal“ bietet das Rahmengerüst dafür und beinhaltet Ansätze für die Regulierung in den kommenden Jahren und ggf. Jahrzehnten. Zu den wichtigsten Regulierungsgegenständen gehören dabei:

– Die Bepreisung von CO2 und anderen Treibhausgasen, z.B. durch die Einführung eines Handelssystems für Emissionszertifikate.

– Anreizsysteme für Klimaneutralität Hierzu gehört z.B. die Förderung von Treibhausgasbilanzen und Transformationskonzepten.

– Reformierung des Berichtswesens für Unternehmen, insbesondere der Erweiterung der Nachhaltigkeitsberichterstattung oder der Einführung eines Lieferkettengesetzes.

– Anreize für Circular Economy-Ansätze zur Erhöhung der Ressourceneffizienz und zur Vermeidung von Abfällen, wie bspw. beschrieben im Circular Economy Aktionsplan der EU

– Transparenz und Standardisierung bei der Nachhaltigkeitsperformance und entsprechende Anreize für Investoren und Einkäufer (insbesondere der öffentlichen Hand) für nachhaltiges Investment bzw. nachhaltige Beschaffung. Dies ist in der sogenannten EU-Taxonomie

– Förderung von Innovation, beispielhaft sei hier der von der EU aufgelegte Innovationsfonds

 

Planen in Szenarien und Transparenz in der Lieferkette als Erfolgsfaktoren

Diese regulatorischen Flanken und die langfristigen Ziele hinter der Gesetzgebung können von Unternehmen nun als Planungshorizont verwendet werden. Anders als bei einer klassischen Planung und Entscheidungsfindung, bei der versucht wird spezifische regulatorische Anforderung konkret zu bewerten und ggf. einzupreisen, gilt es nun in Szenarien zu denken. Dies ist insbesondere bei langfristigen Planungen relevant, wie bspw. Investitionsvorhaben, Produktdesign oder Weiterentwicklungen des Geschäftsmodells. Bei diesem Planungsansatz werden somit Risiken verschiedener Szenarien bewertet und diese dann in der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Um möglichst gute Risikobewertungen vorzunehmen, können sich Unternehmen zusätzlicher Methoden bedienen, wie z.B. die Nutzung interner CO2-Preise oder Analysen von Stoffströmen und Daten in der Wertschöpfungskette, auch über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus. Somit wird auch gleichzeitig eine Transparenz geschaffen, die Unternehmen befähigt, Potenziale zu entdecken und zu heben, die über das Nachkommen regulatorischer Anforderungen hinaus gehen.

 

Nebenbei bemerkt: Die beschriebene Transparenz in der Wertschöpfungskette wird dabei ein Knackpunkt für fast alle Industrieunternehmen sein. Sie ist nicht nur Voraussetzung für eine gute Planung, sondern auch für die Umsetzung zukünftiger Strategien und das Heben von Innovationspotenzialen. Für die meisten Branchen wird vermutet, dass neue Kooperationen und gemeinschaftliches Handeln in den Wertschöpfungsketten notwendig sind, um langfristig erfolgreich zu sein und auch den Zielen einer nachhaltigen Transformation gerecht zu werden. Dies verlangt teilweise Veränderungen bei Denkansätzen und auch in den Prozessen von Unternehmen. Als Nebeneffekt ermöglichen sich Unternehmen aber auch gesteigerte Chancen bei der Partizipation an Innovation, dem Zugang zu neuen Technologien, der Diversifizierung von Risiken und der Umsetzung von Digitalisierung. Letzteres gilt wiederum als Treiber einer nachhaltigen Entwicklung.

 

Spezifische Vorgehensweise ist abhängig von Branche und Umfeld

Was bedeutet dies nun konkret für einzelne Unternehmen? Zur Illustration hier ein paar kurze Beispiele für verschiedene Branchen:

 

Unternehmen aus dem Maschinenbau sollten bei der Produktentwicklung Parameter wie Energieeffizienz ihrer Anlagen oder auch verwendetes Material im Produktionsprozess bei der Nutzung der Anlagen berücksichtigen. Sowohl Regulierung als auch Kundenanforderungen verlangen nach effizienteren oder z.T. auch Ersatzlösungen. Es könnte sich die Frage stellen, ob der Kunde, welcher z.B. mit den Maschinen Stoffe aus Kunststoff herstellt, zukünftig auf biobasierte Rohstoffe zurückgreifen will oder muss. Möglicherweise verlangt das nach neuen Technologien beim Maschinenbauer. Gleichzeitig können sich Innovationspotenziale ergeben, da der Maschinenbauer mit einem verstärkten Wissen über die Wertschöpfungskette der Kunden neue wertstiftende Dienstleistungen anbieten kann.

 

Geschäftsmodelle der energieintensiven Industrie hängen meist ab von der Energieeffizienz der Produktionsprozesse sowie dem Beschaffungspreis für die Energie. Bei der langfristigen Planung sind daher Szenarien über die Entwicklung der Energiepreise, inklusive regulierten CO2-Preisen, relevant, verbunden mit Überlegungen zu Versorgungssicherheit und Zugang zu effizienteren Technologien im Produktionsprozess. Eine szenarienbasierte Planung erlaubt dabei auch das Entwickeln von Optionen zur Absicherung von Risiken innerhalb der Wertschöpfungskette.

 

Hersteller von Fast Moving Consumer Goods (FMCG) werden relativ kurzfristig spezifische Transparenz zu einem breiten Feld von Nachhaltigkeitskriterien (Umweltauswirkungen, soziale und ethische Faktoren) schaffen müssen. Neben regulatorischen Anforderungen z.B. aus dem Lieferkettengesetz tritt auch der Handel mit entsprechenden Einkaufkriterien auf. Eine langfristige Planung sollte daher Szenarien entlang der gesamten Wertschöpfungskette betrachten, anhand einer entsprechend fundierten Datenbasis. Im Gegenzug profitieren Unternehmen auch von beschleunigtem Realisieren von Effizienzpotenzialen sowie der Vermarktung besonders nachhaltig produzierter Güter.

 

Antizipierende Planung ermöglicht agiles Handeln

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Der Umgang mit Nachhaltigkeitsregulierung erfordert eine Veränderung der Perspektive bei Unternehmen: weg von einem rein reaktiven und auf Compliance ausgerichteten Ansatz und hin zu einer antizipierenden und reflektierten Betrachtung. Selbstverständlich bleibt Compliance Management und die Umsetzung spezifischer Anforderung ein Handwerkszeug, dass alle Unternehmen beherrschen müssen.

Für den langfristigen Erfolg reicht das aber nicht mehr aus, denn mit großer Wahrscheinlichkeit wird es sonst schwierig, der zukünftigen Dynamik zu folgen und an der Entwicklung zu partizipieren. Die Gefahr, als einzelnes Unternehmen abgehängt zu werden, wäre ziemlich real. Ein antizipierender Ansatz, bei der verschiedenen Szenarien mitgedacht werden, ermöglicht aber noch weitere Vorteile: Neben einem robusteren Planungsprozess entwickeln sich oft auch agile Strukturen, die ein besseres organisationales Lernen und somit auch eine bessere Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen ermöglichen. Somit legen Unternehmen nicht nur eine planerische Basis, sondern entwickeln auch die entsprechende Umsetzungskompetenz in einem – zumindest was das „Wie“ angeht – volatilen regulatorischen Umfeld.

 

Nutzen Sie bereits Szenarien, um in Strategie- und Produktionsprozessen zukünftige Nachhaltigkeitsregulierung zu antizipieren? Wir sind gespannt auf Ihre Beispiele! Sprechen Sie uns gerne auch an, wenn Sie erfahren möchten wie Sie bereits heute notwendige Kompetenzen zur dynamischen Betrachtung von Regulierung in Ihrem Unternehmen verankern.

 

 

 

 

Quelle Titelbild: istockphoto.com/NicoElNino

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