Transparenz in der Wertschöpfungskette: Erfolgsfaktor für zukünftigen unternehmerischen Erfolg

TRANSFORMATION // 13.05.2022

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Nicht nur das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zur stärkeren Transparenz in der Wertschöpfungskette. Auch liegen Innovationspotenziale und nicht zuletzt große Hebel für eine nachhaltige Entwicklung in den Wertschöpfungsketten und oftmals außerhalb der Werkstore einzelner Unternehmen. Dieser Beitrag beschreibt, wie Industrieunternehmen für mehr Transparenz in ihren Wertschöpfungsketten sorgen können – auch aus Produktionssicht – und welche Anknüpfungspunkte für unternehmerischen Erfolg sich daraus ergeben.  

 

Die betriebswirtschaftliche Forschung ist sich einig: zukünftiger unternehmerischer Erfolg hängt maßgeblich von der Fähigkeit zur Kooperation über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg ab. Dabei wird einer solchen ‚Vernetzung von Geschäftsmodellen‘ auch eine große Wirkung für die nachhaltige Transformation der Industrie zugeschrieben. Auch in der industriellen Produktion zeigt sich: die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen kann zur Reduzierung z.B. des Materialeinsatzes, von Wartungs- oder Energiekosten führen. So bilden sich beispielsweise immer häufiger Servicemodelle im Maschinenbau heraus, bei dem die Maschinenbauer nicht einfach ihre Maschinen verkaufen, sondern die Leistungen der Maschinen als Dienstleitung anbieten und damit auch eine gewisse Verantwortung für die Performance der produzierenden Unternehmen übernehmen. Auch unternehmensübergreifende Lagerplanung ist ein gängiges Konzept, um Logistikkosten und Kapitalbindung zu reduzieren. 

 

Doch mit diesen ‚low-hanging-fruits‘ sind die Potenziale für die mit Kooperation verbundenen Entwicklungspotenziale bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Doch wie lassen sich weitergehende Kooperationspotenziale identifizieren und dann auch priorisieren? Startpunkt hierzu ist eine Analyse der Wertschöpfungskette. Diese schafft Transparenz in Bezug auf Effizienz- und Innovationspotenziale – sowohl aus ökologischer als auch ökonomischer Perspektive. Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt dabei: Eine solche Analyse bietet auch die Grundlage für das Nachkommen zukünftiger Nachhaltigkeitsberichtspflichten bzw. Einhaltung rechtlicher Vorgaben wie z.B. dem Lieferkettengesetz oder der EU-CSR Richtlinie. Anhand zweier Beispiele erläutern wir, wie eine solche Analyse durchgeführt werden kann. 

 

Beispiel 1 (aus Produktionssicht): Wertstromanalyse 

Die Wertstromanalyse ist das etablierte Werkzeug des Lean Managements, wenn es darum geht, die Material- und Informationsflüsse von Produktionssystemen ganzheitlich zu visualisieren. Hierbei entsteht schnell eine einfache Darstellung, die für die gesamte Organisation leicht verständlich ist und mit etwas methodischer Unterstützung die Verschwendungen (7 Verschwendungsarten) und Potenziale zielorientiert aufdeckt.  

Die Wertstromanalyse wird in Lehrbüchern auch als „sehen lernen“ bezeichnet, denn sie findet vor Ort im Austausch mit den Mitarbeitern statt und nimmt den wirklichen Zustand auf. ERP-Systeme und das Wissen von Managern bilden selten die Realität des Shopfloors ab und daher werden so die Augen geöffnet.  

Wir haben uns die Frage gestellt, welche Potenziale in dieser Methodik stecken, wenn man sie um den Blickwinkel der Nachhaltigkeit oder der Circular Economy erweitert? Weitet man den Bezugsrahmen über die eigene Werksgrenze hinaus aus, so werden nicht nur neue operative Effizienzpotenziale im Zusammenspiel von Werken, Logistik und Partnern in der Wertschöpfungskette sichtbar, sondern es ergeben sich auch Ansätze zur Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen in Kooperation. Und welche Diskussionen werden ermöglicht, wenn das der Analyse folgende Wertstromdesign mit der Ambition der Circular Economy erfolgt? 

Ein nachhaltiges Geschäftsmodell setzt hier weitere Design-Prinzipien und macht eine spannende Diskussion auf, die Auswirkungen auf das gesamte Supply Chain Management haben. 

 

Beispiel 2 (aus der Produktentwicklungsperspektive): Materialstromanalyse 

Analysemethoden der Circular Economy wie bspw. der Circularity Compass erlauben es, Materialströme über Wertschöpfungsketten hinweg zu visualisieren und zu analysieren. Die Analyse bezieht dabei alle Rohstoffe, Produktionsschritte und Veränderungen der Materialen zu Produkten sowie die Nutzung und schließlich Entsorgung der Produkte und einzelner Bestandteile der Produkte mit ein. Im Ergebnis werden Abfallströme sowie Strategien zur Reduzierung bzw. werthaltigen Nutzung der Abfallströme deutlich. Somit steigert eine solche Analyse nicht nur Transparenz in der eigenen Wertschöpfungskette, sondern es werden auch Potenziale deutlich, die bei einer engen Betrachtung der Wertschöpfungskette nicht erkennbar sind. Zusätzlich können sogar Anknüpfungspunkte an andere Wertschöpfungsketten deutlich werden. In der Praxis ist eine Basisanalyse mit dem Circularity Compass auch nicht besonders aufwändig: ein entsprechender Workshop, in dem verschiedene Bereiche des Unternehmens gemeinsam diskutieren, erzielt oftmals schon erstaunliche Ergebnisse. Hierzu ein kurzes Beispiel aus unserer Praxis: Ein Unternehmen der FMCG-Branche entdeckte im Rahmen der Analyse Einsparpotenziale bei den Plastikverpackungen für die eigenen Produkte. Auch war ein Ersatz der eingesetzten Rohstoffe für die Verpackungen durch Rezyklat möglich. Das Unternehmen beteiligte sich in Partnerschaft mit dem Verpackungsmateriallieferanten an einer neuen Recycling-Anlage, womit dem FMCG-Unternehmen auch ein konstanter Zugang zum Verpackungsmaterial zu niedrigen Kosten ermöglicht wurde. Letzteres war ein besonderes Bonbon, da das Rezyklat auf dem Weltmarkt ein knappes Gut und oft schwierig zu beschaffen ist. 

 

Idealerweise werden die beiden Ansätze – Wertstrom- und Materialstromanalyse – miteinander verbunden. Die Vernetzung der Perspektiven, auch über Abteilungsgrenzen in Unternehmen hinweg, ermöglichen ein umfassendes Bild und das Aufdecken von blinden Flecken in der Wertschöpfungskette. Das Analyseergebnis dient somit zur Identifikation und Priorisierung von Handlungsfeldern und Kooperationsmöglichkeiten. Im Einklang mit den Unternehmenszielen können anschließend Maßnahmen umgesetzt werden, die im Ergebnis Einsparungen erbringen bei Kosten, CO2-Emissionen und Materialeinsatz. Ebenso können neue Innovationspotenziale entwickelt werden welche, wie im Beispiel unseres FMCG-Unternehmens, nur in Kooperation umgesetzt werden können. 

 

Transparenz schaffen in der Wertschöpfungskette ist daher nicht nur eine Notwendigkeit, um zukünftigen Berichtspflichten gerecht zu werden, sondern es ist auch ein wesentlicher Stellhebel für die zukunftsfähige und nachhaltige Entwicklung von Industrieunternehmen. Bei der Umsetzung von Potenzialen werden Kooperation über Unternehmensgrenzen hinweg immer wichtiger werden. Ein umfassendes Verständnis für die Wertschöpfungskette sowie die Schnittstellen zu anderen Lieferketten ist daher ein Schlüssel für nachhaltigen unternehmerischen Erfolg. 

 

Welche Kooperationspotenziale in Ihren Lieferketten haben Sie entdeckt? Und welche Ergebnisse haben neue Kooperationen für Ihr Unternehmen erzielt? Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit uns, wir freuen uns auf den Austausch! 

 

 

 

 

Quelle Titelbild: istockphoto.com/Fritz Jorgensen

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