Doppelte Wesentlichkeit: Schlüsselbegriff der CSRD verstehen

KLIMA// 26.01.2024

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Das Wichtigste im Überblick

  • Doppelte Wesentlichkeit integriert die finanzielle Materialität (Auswirkungen von Nachhaltigkeitsthemen auf das Unternehmen) und die Impact-Materialität (Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft) in der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
  • Nachhaltigkeitsthemen werden auf Basis ihrer Relevanz in finanzieller und Impact-Materialität bewertet, wobei berichtspflichtige Themen nach einem Punktesystem bestimmt werden.
  • Ein Verständnis der Wesentlichkeit ermöglicht ein verbessertes Risikomanagement, Erkennung von Geschäftschancen, Anstoßen von Transformationsprozessen, die zu Effizienzsteigerung, Kostensenkung, stärkerer Reputation, erhöhter Investitionsattraktivität und Wettbewerbsvorteilen führen.

Doppelte Wesentlichkeit: Zentrales Konzept der CSRD

Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur ein Schlagwort, sondern eine Notwendigkeit in der modernen Geschäftswelt. Im Zuge des wachsenden Bewusstseins für ökologische und soziale Fragen, verstärkt durch regulatorische Anforderungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU, stehen Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Geschäftsmodelle und Berichterstattungen anzupassen. Ein Schlüsselkonzept der CSRD ist die „doppelte Wesentlichkeit“. Dieser Ansatz verändert die Art, wie Unternehmen über ihre Auswirkungen auf die Welt und die Auswirkungen der Welt auf sie berichten müssen.

Was heißt „doppelte Wesentlichkeit“ im Kontext der CSRD?

Das Konzept der „doppelten Wesentlichkeit“ im Kontext der CSRD ist ein zentrales Konzept der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Es erweitert die traditionelle Sichtweise der Wesentlichkeit in der Unternehmensberichterstattung, indem es zwei Perspektiven integriert:

  1. Finanzielle Materialität: Diese Dimension, auch Outside-In-Perspektive genannt, konzentriert sich darauf, welche finanziellen Risiken und Chancen Nachhaltigkeitsthemen für ein Unternehmen bergen. Hierbei werden sowohl kurz-, mittel- und langfristige Auswirkungen bewertet. Die Bewertung basiert dabei auf der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Höhe der finanziellen Auswirkungen.
  2. Impact-Materialität: Diese Perspektive, auch als Inside-Out-Perspektive bezeichnet, betrachtet, wie die Aktivitäten eines Unternehmens die Umwelt und die Gesellschaft beeinflussen. Hier stehen die Auswirkungen des Unternehmens auf externe Faktoren wie Umweltverschmutzung, soziale Gerechtigkeit oder Mitarbeiterwohl im Vordergrund. Die Bewertung erfolgt dabei nach der Wahrscheinlichkeit und dem Schweregrad der Auswirkungen.

 

Prinzip der doppelten Wesentlichkeit.

 

Die Nachhaltigkeitsthemen, die nach dem Konzept der doppelten Wesentlichkeit betrachtet werden müssen, basieren auf den ESG-Themen und sind in den ESRS-Standards ausführlich aufgeführt und in kleinere Berichtsthemen unterteilt. Im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse werden diese Themen nach der finanziellen und Impact-Materialität mit einem Punktesystem bewertet.

Ein Thema wird dann berichtspflichtig, wenn es aus einer der beiden Perspektiven als relevant eingestuft wird.

 

In der Praxis bedeutet dies, dass Unternehmen sowohl interne als auch externe Faktoren sowie Stakeholder berücksichtigen und in ihren Berichten darlegen müssen, wie sie Nachhaltigkeitsthemen angehen und welche Auswirkungen ihre Geschäftstätigkeiten haben. Dies erfordert eine gründliche Analyse und Bewertung der relevanten Themen sowie eine offene und ehrliche Kommunikation über die Herausforderungen und Fortschritte in diesen Bereichen.

Welche Bedeutung hat die doppelte Wesentlichkeit für Unternehmen?

Die Bedeutung der doppelten Wesentlichkeit für Unternehmen im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist vielschichtig und hat weitreichende Implikationen. Durch die Bewertung von Nachhaltigkeitsthemen nach der finanziellen und der Impact-Materialität gelingt es, Risiken und Chancen frühzeitig zu erkennen.

Risikomanagement & Transformationsfähigkeit

Durch das Konzept der doppelten Wesentlichkeit werden Unternehmen dazu angehalten, sowohl interne (finanzielle) als auch externe (umweltbezogene und soziale) Risiken zu identifizieren. Dies ermöglicht ein umfassenderes Risikomanagement. Beispielsweise können Umweltrisiken wie der Klimawandel oder soziale Risiken wie Arbeitsbedingungen in der Lieferkette identifiziert und bewertet werden.

Unternehmen werden durch diese ganzheitliche Betrachtung befähigt, Risiken früher zu erkennen und aktiv Maßnahmen zu ergreifen. Dies kann beispielsweise bedeuten, Anpassungen in der Geschäftsstrategie vorzunehmen, um auf sich ändernde gesellschaftliche Erwartungen oder Umweltbedingungen zu reagieren. Somit kann eine gründliche Bewertung der Nachhaltigkeitsthemen nach der doppelten Wesentlichkeit das Risikomanagement und die Transformationsfähigkeit verbessern.

Identifikation von Geschäftschancen

Neben Risiken werden durch die Bewertung auch Chancen sichtbar. Unternehmen sind so in der Lage zu erkennen, wo nachhaltige Praktiken zu neuen Geschäftsmöglichkeiten führen oder zur Verbesserung bestehender Produkte und Dienstleistungen bzw. zur Entwicklung beitragen können.

Bewertung der doppelten Wesentlichkeit als Grundlage für Transformationsprozesse

Die Wesentlichkeitsanalyse mit der Bewertung der doppelten Wesentlichkeit ist ein Pflichtbestandteil der CSRD. Unsere Empfehlung ist es, dies jedoch nicht nur als Pflicht zu sehen. Die Ergebnisse bringen tiefe Einsichten in das eigene Unternehmen, in dem Risiken und Chancen aufgezeigt werden. Nutzen Sie dieses Wissen, um Transformationsprozesse im Unternehmen anzustoßen. Dies kann zu verschiedenen wirtschaftlichen Vorteilen führen.

  • Effizienzsteigerung und Kostensenkung: Die Implementierung nachhaltiger Prozesse kann zu effizienterem Ressourceneinsatz und damit zu Kosteneinsparungen führen. Beispielsweise kann die Reduzierung von Energieverbrauch oder Abfall die Betriebskosten senken.
  • Reputation und Vertrauen: Eine transparente Berichterstattung und das Engagement in Nachhaltigkeitsfragen stärken das Vertrauen bei Stakeholdern, Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit. Dies kann sich positiv auf die Markenreputation und Kundenloyalität auswirken.
  • Investitionsattraktivität: Investoren legen zunehmend Wert auf Nachhaltigkeitsaspekte. Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsbemühungen glaubwürdig darstellen können, werden für Investoren attraktiver.

Unternehmen, die Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen frühzeitig erkennen und darauf reagieren, können sich Wettbewerbsvorteile verschaffen. Dies kann sich in einer stärkeren Marktpositionierung, verbesserten Kundenbeziehungen oder der Erschließung neuer Märkte äußern. Insgesamt unterstützt das Konzept der doppelten Wesentlichkeit Unternehmen nicht nur dabei, ein umfassenderes Verständnis ihrer Rolle in der Gesellschaft und Umwelt zu entwickeln, sondern es bietet auch eine Grundlage für strategische Entscheidungen, die sowohl die Nachhaltigkeit als auch die langfristige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verbessern können.

Mehr zu den Chancen, die sich aus der Berichtspflicht nach CSRD ergeben können, sowie zum Berichtsprozess erfahren Sie in unserem aktuellen Whitepaper zum Thema.

 

Doppelte Wesentlichkeit in der Praxis: Ein Beispiel

Für die Bewertung der doppelten Wesentlichkeit im CSRD-Bericht wird jedes Nachhaltigkeitsthema, das im ESRS 1 aufgeführt ist, nach der finanziellen und der Impact-Materialität bewertet. Dabei werden verschiedenste Perspektiven betrachtet, wie in der folgenden Grafik dargestellt. Um die Vorgehensweise etwas besser nachzuvollziehen, stellen wir Ihnen die Bewertung von zwei Themen für ein Unternehmen aus der Kosmetikindustrie vor.

Übersicht zur Wesentlichkeitsanalyse

Übersicht zur doppelten Wesentlichkeit

Klimaschutz

Für ein Unternehmen der Kosmetikindustrie ergeben sich bei der Bewertung der finanziellen Materialität im Bereich Klimaschutz und CO2 sowohl Geschäftschancen als auch -risiken:

Geschäftschancen Geschäftsrisiken
  • Erschließung neuer Kundengruppen durch nachhaltige Produkte
  • Abschöpfung höherer Zahlungsbereitschaft für CO2-arme Produkte
  • Attraktivität der Produkte für Mitarbeitende wird durch die CO2-Bilanz beeinflusst und damit auch die Attraktivität als Arbeitgeber
  • Nachfrage und Konsumverhalten von Endkunden und Händlern werden zunehmend auch durch CO2-Bilanzen beeinflusst
  • Höheres Rohstoffaufkommen, Rohstoffknappheit und Wettbewerbsdruck (z. B. durch die CO2-Steuer ab 2024)

 

Für die Impact-Materialität werden positive und negative Auswirkungen betrachtet. In diesem Fall sind lediglich negative Auswirkungen vorhanden:

  • Es entstehen umweltbelastende CO2-Emissionen in den Vorstufen der Produktion und Gewinnung der Rohstoffe.
  • An zwei Produktionsstätten entstehen bei der Herstellung der Produkte CO2-Emissionen.
  • Durch weltweiten Transport von Fertiggütern werden CO2-Emissionen ausgestoßen.
  • Die Mehrheit der Mitarbeitenden kommt mit dem Auto zur Arbeit.
  • Erdölanteile sind im Produkt oder Verpackung vorhanden.

Sind die Auswirkungen, Chancen und Risiken identifiziert, erfolgt die Bewertung nach Umfang bzw. Schweregrad und Wahrscheinlichkeit. In diesem Fall hat die finanzielle Materialität eine geringere Ausprägung, während die Impact-Materialität relativ hoch bewertet ist.

Arbeitsbedingungen in der Wertschöpfungskette

Auch soziale Aspekte werden im Rahmen der CSRD betrachtet. Daher hier ein Beispiel, wie man das Thema Arbeitsbedingungen in der Wertschöpfungskette für die Kosmetikindustrie bewerten könnte.

Finanzielle Materialität:

Geschäftschancen Geschäftsrisiken
  • Transparenz entlang der Wertschöpfungskette kann Markenimage und Kundenvertrauen stärken
  • Partnerschaften und Kooperationen können die Beziehungen zu Lieferanten stärken und neue entstehen lassen
  • Verbesserung der Transparenz in den Einkaufsentscheidungen
  • Nichteinhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen des Lieferkettengesetzes durch fehlende Transparenz
  • Mögliche Einstellung von Produkten
  • Verlust von Partnern
  • Steigende Herstellungspreise

 

Impact-Materialität:

Positive Auswirkungen Negative Auswirkungen
  • Achtung von Menschenrechten im Einklang mit internationalen Standards ist im Code of Conduct festgelegt
  • Es muss Transparenz zur Einhaltung der Menschenrechte bestehen
  • Arbeitsbedingungen bei der Herstellung einiger Rohstoffe sind nicht bekannt

 

Auch hier erfolgt die Bewertung der Auswirkungen, Chancen und Risiken. In diesem Fall erhalten sowohl die finanzielle und die Impact-Materialität eine mittlere Bewertung.

Anhand der Bewertung der verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen lässt sich nach Abschluss der Wesentlichkeitsanalyse leicht identifizieren, welche Themen mit hoher Priorität zuerst angegangen werden müssen. Außerdem sind Handlungspotenziale leichter zu identifizieren.

Fazit: Doppelte Wesentlichkeit als Basis für verbesserte Transformationsfähigkeit

Die doppelte Wesentlichkeit ist ein Kernelement der CSRD und muss von allen berichtspflichtigen Unternehmen in der Wesentlichkeitsanalyse berücksichtigt werden. Doch wie Sie sehen, liegt in der gründlichen Analyse auch einiges an Potenzial. Die Bewertung der Wesentlichkeit unterstützt dabei, Transformationspotenziale zu erkennen und zu heben. Außerdem kann ein umfassendes Verständnis für Geschäftsrisiken gewonnen werden. Dies ermöglicht es, frühzeitig zu reagieren und die Auswirkungen zu vermeiden oder zumindest abzumildern. Werden zudem Transformationsprozesse angestoßen, können sich verschiedenste Wettbewerbsvorteile ergeben.

Erfahren Sie in unserem Whitepaper mehr zum CSRD-Berichtsprozess und wie Sie ihn als Sprungbrett für wirtschaftlichen Erfolg nutzen können.

 

FAQ

Was versteht man unter „doppelter Wesentlichkeit“ im Kontext der CSRD?

„Doppelte Wesentlichkeit“ bezieht sich auf zwei Perspektiven in der Nachhaltigkeitsberichterstattung: die finanzielle Materialität (Outside-In-Perspektive), die sich auf die finanziellen Risiken und Chancen von Nachhaltigkeitsthemen für ein Unternehmen konzentriert, und die Impact-Materialität (Inside-Out-Perspektive), die betrachtet, wie die Aktivitäten eines Unternehmens Umwelt und Gesellschaft beeinflussen.

Wie wird bestimmt, ob ein Nachhaltigkeitsthema berichtspflichtig ist?

Ein Nachhaltigkeitsthema wird berichtspflichtig, wenn es aus einer der beiden Perspektiven der doppelten Wesentlichkeit – finanzielle Materialität oder Impact-Materialität – als relevant eingestuft wird. Diese Bewertung erfolgt auf Basis eines Punktesystems, das die Eintrittswahrscheinlichkeit und den Schweregrad der Auswirkungen berücksichtigt.

Welche Vorteile bringt die Anwendung der doppelten Wesentlichkeit für Unternehmen?

Die Anwendung der Doppelten Wesentlichkeit hilft Unternehmen, Risiken und Chancen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Dies führt zu verbessertem Risikomanagement, Identifikation von Geschäftschancen, und kann Transformationsprozesse anstoßen, die zu Effizienzsteigerung, Kostensenkung, stärkerer Reputation, erhöhter Investitionsattraktivität und Wettbewerbsvorteilen führen.

Wie wird die doppelte Wesentlichkeit in der Praxis angewendet?

In der Praxis wird jedes Nachhaltigkeitsthema nach seiner finanziellen und Impact-Materialität bewertet, wobei verschiedene Perspektiven berücksichtigt werden. Die Bewertung beinhaltet die Analyse von Risiken und Chancen sowie deren Umfang und Wahrscheinlichkeit. Dies hilft Unternehmen, Prioritäten zu setzen und Handlungspotenziale zu identifizieren, um Nachhaltigkeitsziele effektiv umzusetzen.

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